Deutschland will mit dem „Veteranentag“ Soldatentum wieder groß machen, Merz freut sich über Israels „Drecksarbeit“ und in der Hauptstadt brummt der antiqueere Kulturkampf. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive. #KW25
Am vergangenen Sonntag (15. Juni) beging Deutschland erstmals den sogenannten „Nationalen Veteranentag“, ein „Gedenktag (…) mit dem seit 2025 jährlich der Einsatz und der Dienst aktiver und ehemaliger Soldaten (Veteranen) der Bundeswehr gewürdigt wird“, heißt es auf Wikipedia. „Der Veteranentag ist ein weiterer Schritt zurück zu einer ‚Blut & Ehre‘-Mentalität um deutsche Soldat*innen“, erklärte Yannick Kiesel von der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) bereits vergangenes Jahr, als die Einführung beschlossen wurde. „Eine Überhöhung des Soldatentums hatten wir in Deutschland schon häufiger und die Folgen waren immer übel“, so Kiesel. Der „Veteranentag“ ist ein Baustein in der übergeordneten politischen Strategie der gesellschaftlichen Militarisierung. Er erfüllt gleich mehrere Funktionen: Er schafft ein Symbol im öffentlichen Raum. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wie bspw. den USA, ist das Militär Deutschland bislang noch nicht so sichtbar, auch nicht die Zugehörigkeit zum Militär. Der Veteranentag schafft Sichtbarkeit von Militärangehörigen und trägt dazu bei, den „Dienst an der Waffe“ gesellschaftlich aufzuwerten. Statt z.B. einen Nationalen Pflegetag auszurufen, um Mitarbeiter*innen im Gesundheitswesen öffentlich zu würdigen, wurde sich ganz bewusst für die Anerkennung ehemaliger Soldat*innen entschieden, um das Soldatentum zu glorifizieren und die Bundeswehr bei der Nachwuchsrekrutierung zu unterstützen. Weiterhin dient der Veteranentag dazu, militärische Kategorien und Begriffe wie „Tapferkeit“, „Pflichterfüllung“, „Opferbereitschaft“ und „Ehre“ zu normalisieren, Männlichkeitsbilder zu transportieren und militärische Logiken gesellschaftlich zu verankern. Zivile Opfer von Krieg, auch Deserteur*innen, Kriegsdienstverweigernde oder Geflüchtete, werden ganz bewusst unsichtbar gemacht, um die gesellschaftliche Stimmung weg vom Pazifismus hin zu „Kriegstauglichkeit“ zu verschieben. Der „Veteranentag“ ist kein harmloses Gedenken, schon gar kein buntes Familienfest, sondern eine politische Maßnahme der gesellschaftlichen Militarisierung, die auf die ideologische und emotionale Mobilmachung der Bevölkerung abzielt. Deutschland soll „kriegstüchtig“ gemacht werden. Zum Glück regt sich mit wachsendem Militarismus und Aufrüstung auch der Widerstand dagegen. In verschiedenen Städten protestierten Kriegsgegner*innen bundesweit gegen Veteranentag und Bundeswehr. (z.B. Berlin, Bad Vilbel, Hamburg, Stralsund) Dieses Jahr waren es noch nicht so viele Menschen, aber wir haben nun ein Jahr Zeit, zu mobilisieren, um den 15. Juni zum bundesweiten Aktionstag des Antimilitarismus zu machen.
Während Israel weiterhin ununterbrochen Menschen in Gaza tötet (laut palästinensisches Gesundheitsministerium sollen rund 400 allein seit Ende Mai in der Nähe von Hilfsgüter-Ausgabestellen getötet worden sein) und die Expansion der illegalen Siedlungen im Westjordanland vorantreibt, rückt das Leid der Palästinenser*innen medial in den Hintergrund, seit Netanjahus Militär letzte Woche den Iran mit Bomben angreift und bereits hunderte Zivilist*innen tötete. Vergeltungsschläge des iranischen Regimes töteten wiederum in Israel 24 Menschen (Stand Montag, 16. Juni), am Donnerstag traf ein iranischer Raketenangriff ein israelisches Krankenhaus. Die Eskalationsspirale dreht sich schnell, den Preis zahlen – wie immer – Zivilist*innen. Im Iran ist die Bevölkerung nicht nur durch israelische Bomben bedroht, sondern auch durch die Gewalt des autoritären Regimes. „In Iran, aber auch in der iranischen Diaspora wächst nun die Sorge, das Land könne im Zuge des Krieges mit Israel im Inneren noch autoritärer auftreten“, schreibt Pajam Masoumi in einem lesenswerten Artikel in der ak und verweist auf den ersten Golfkrieg (1980-1988), in dem das Mullah-Regime zwischen 5.000 und 8.000 Oppositionelle verfolgte und ermordete. Iraner*innen versuchen nun zu tausenden das Land zu verlassen, es herrscht Chaos und Panik. „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle“, kommentierte Friedrich Merz das Geschehen am Rande des G7-Gipfels: „Ich kann nur sagen, größten Respekt davor, dass die israelische Armee, die israelische Staatsführung, den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“ Und auch wenn sich hierzulande viele daran stören, dass der Kanzler die Bombardierung von Zivilist*innen als „Drecksarbeit“ bezeichnete, gibt es zahlreiche Stimmen, die glauben, Israels Bomben böten den Menschen in Iran eine Chance. Denen seien die Worte von Daniela Sepheri ans Herz gelegt, die in einem Kommentar für die taz schrieb: „Wer diesen Krieg nun mit der Hoffnung auf einen Regime-Change von außen feiert, hat aus den vergangenen Jahrzehnten nichts gelernt. Kriege gewinnen keine Revolutionen, sie stabilisieren Diktaturen. Welches Land im Nahen Osten wurde durch militärische Interventionen von außen demokratisch? Richtig, kein einziges.“
In Berlin-Köpenick hat ein Kinderhort draußen vor der Einrichtung eine Regenbogenfahne gehisst. Die Eltern einer Grundschülerin sehen darin eine „nicht kindgerechte Politisierung“ und haben geklagt. Das berichtet der Tagesspiegel am Mittwoch (18. Juni). Der Prozess findet kommende Woche statt. „Die Fahne ist eine erweiterte und besonders radikale Variante der Regenbogenflagge der sogenannten queeren Bewegung“, schreibt die rechtsextreme Wochenzeitung „Junge Freiheit“, die den Fall natürlich gleich aufgriff. Bei der gehissten Flagge handelt es sich offenbar um die „Progress Pride Flag“, die 2018 von Daniel Quaser entworfen wurde und die neben den klassischen Regenbogenfarben einen weißen, rosa und hellblauen Streifen (für die trans Community), einen braunen Streifen (für die Bi_PoC Community) und einen schwarzen Streifen (in Erinnerung an die Opfer der HIV/AIDS-Krise) zeigt. 2021 ergänzte Valentino Vecchietti von Intersex Equality Rights UK ein gelbes Dreieck mit lila Kreis für die inter Community. Die Klage der Eltern reiht sich ein in gleich mehrere Vorfälle des antiqueeren Kulturkampfs in der Hauptstadt. Erstmals dürfen die Mitarbeiter*innen des Deutschen Bundestags nicht offiziell am CSD Berlin teilnehmen. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner verbietet die Teilnahme des „Regenbogennetzwerks“ der Verwaltung aus Gründen des „Neutralitätsgebots“. So können die Beschäftigten zwar in ihrer Freizeit „als Privatpersonen“ an der Pride-Parade teilnehmen, dürfen aber nicht als Gruppe auftreten und auch nicht wie in den vergangenen Jahren „Give-aways“, wie Kugelschreiber und Stoffbeutel des Bundestags verteilen. Am Dienstag (17. Juni) rechtfertigte Klöckner die Entscheidung bei einer Personalversammlung im Bundestag. Im Saal hing auch ein Kreuz an der Wand, kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, so Klöckner, die auf Nachfrage erklärte: „Ohne das Kreuz gäbe es die offene Gesellschaft, wie wir sie heute in Deutschland haben, nicht.“ Das christliche Kreuz und die Deutschlandflagge – mehr braucht es nicht laut Julia Klöckner, die das Hissen der Regenbogenfahne am Reichstagsgebäude zum CSD am 26. Juli untersagt hat. Laut der Bundestagspräsidentin ist dieses Symbol nicht nötig, die schwarz-rot-goldene Fahne stünde schließlich auch für „das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und gegen Diskriminierung“. Für den Ver.di-Chef Frank Werneke ist Klöckners Vorgehen „unverständlich, absolut nicht zu akzeptieren und ein gesellschaftspolitischer Rückschritt“, es sei ein „Einknicken vor rechten Tendenzen“. In Ungarn wurde diese Woche die Pride-Veranstaltung in Budapest von der Polizei verboten. Einer der vorgeschobenen Gründe: Der Kinderschutz. Ungarns rechtsextreme Regierung fährt schon lange eine Hasskampagne gegen jede queere Sichtbarkeit. Seit Mitte März gilt ein Gesetz, das alle Versammlungen untersagt, die „Homosexualität“ vor Minderjährigen darstellen. Der liberale Bürgermeister der Hauptstadt kündigte am Donnerstag (19. Juni) an, sich dem Verbot zu widersetzen: „Diese Verbotsentscheidung hat keinerlei Bestand“, teilte Gergely Karácsony, mit. Da es sich um eine „städtische Veranstaltung“ handele, brauche es keine Erlaubnis des Staates.
Weitere Meldungen diese Woche
Nachdem die „Sea Eye 5“ am vergangenen Samstag 65 Menschen aus einem überfüllten Schlauchboot im Mittelmeer gerettet und nach Sizilien gebracht hatte, hat Italien das Schiff am Dienstag (16. Juli) festgesetzt und wirft der Crew Verstöße gegen Absprachen vor. Das Rettungsschiff darf bis auf weiteres den Hafen nicht verlassen. Die zivile Seenotrettung im Mittelmeer wird dieses Jahr 10 Jahre alt. 2015 begannen United4Rescue, Sea-Watch, Sea-Eye, SOS Humanity und weitere damit, Menschen vor dem Ertrinken zu retten. Seitdem wurden mehr als 175.000 Menschen auf der Flucht gerettet. Sandra Bils von der Organisation United4Rescue erklärt: „Unsere gemeinsame Solidarität ist kein Verbrechen, das Sterben auf See ist ein Verbrechen“.
Auch diese Woche kam es wieder zu mehreren Feminiziden. In der Nacht zu Montag (16. Juni) tötete mutmaßlich ein 26-Jähriger in Willershausen bei Kalefeld (Niedersachsen) seine 30 Jahre alte Freundin. Der Mann soll die Frau nach einem Streit erwürgt haben, bevor er sich vermutlich selbst das Leben nahm. In Hagen (Nordrhein-Westfalen) soll ein 37-jähriger Mann am Mittwoch (18. Juni) seine 31 Jahre alte Partnerin mit einem Messer getötet haben. Bereits am vergangenen Samstag (14. Juni) tötete mutmaßlich ein 36-Jähriger in Krailing (Bayern) seine 29-jährige Ehefrau. Gegen den Mann soll ein Kontaktverbot vorgelegen haben, da er immer wieder gewalttätig gegen seine Frau geworden war. Die Polizei war mehrfach wegen häuslicher Gewalt bei dem Paar. Eins von insgesamt fünf Kindern soll sich zum Tatzeitpunkt in der Wohnung befunden haben.
Das wars für heute, ich danke euch wie immer fürs Lesen. Wer kann und will: via PayPal gibt es die Möglichkeit, ein Trinkgeld dazulassen. Oder du wirst heute Fördermitglied auf Steady und hilfst mir dabei, die Arbeit am Wochenrückblick dauerhaft zu finanzieren.
Hier den (kostenlosen!) Newsletter abonnieren