Sexarbeit

Sexarbeit bildet eine breite Palette sexueller Dienstleistungen ab. Von Striptease, über Sex-Chats, BDSM, erotische Massagen, Porno-Drehs, erotischem Tanz, das Anbieten von Nacktfotos bei Only-Fans oder das Verkaufen getragener Unterwäsche, bis hin zur -häufig als Prostitution bezeichneten- Arbeit in Bordellen oder auf der Straße.

Sexarbeit oder Prostitution?

Der Begriff „Prostituierte*r“ wird von manchen Sexarbeiter*innen für sich verwendet und ist als Selbstbezeichnung anzuerkennen. In der Fremdzuschreibung ist er jedoch problematisch, da er häufig mit Missbrauch und Kriminalität in Verbindung gebracht wird. „Sich prostituieren“ wird synonym verwendet für „sich herabwürdigen“, „sich hergeben“ oder „sich erniedrigen“.

Sexarbeit ist ein sehr komplexes Thema

Kaum ein gesellschaftliches Thema ist so komplex wie die Sexarbeit. Denn hier kommen verschiedene Debatten zusammen: Patriarchale Macht- und Dominanzverhältnisse, kapitalistische Ausbeutung, Moral und soziale Kontrolle, Gewalt und Kriminalität, Rassismus und Migration – alles kommt zusammen, wenn wir über Sexarbeit reden. Keinesfalls sollte geleugnet werden, dass im Zusammenhang mit der „Sex-Industrie“ Menschenhandel, Gewalt und Ausbeutung gedeihen. In der Mehrzahl sind Sexarbeiter*innen Frauen, cis und trans, aus armen Verhältnissen, häufig Migrant*innen, die im Patriarchat ohnehin mehrfach marginalisiert sind. 

Kriminalisierung von Sexarbeit

Doch es hilft den Sexarbeiter*innen nicht, wenn Sexarbeit kriminalisiert und stigmatisiert wird. Wenn zum Beispiel Sexarbeit als „bezahlte Vergewaltigung“ bezeichnet wird, wie es SWERF häufig tun, kann es keine Vergewaltigung innerhalb der Sexarbeit geben. Das ist extrem gefährlich, denn diese Gewalt passiert ja durchaus, wird aber durch die Pauschalisierung unsichtbar gemacht. Auch birgt die Kriminalisierung von Sexarbeit (wie bspw. durch das Nordische Modell) die irrige Annahme, andere Formen der Sexualität seien frei von Gewalt. Innerhalb der Ehe passiert extrem viel Gewalt, aber die Forderung, deshalb die Ehe abzuschaffen, findet noch immer wenig Anklang.

Die Kriminalisierung von Sexarbeit führt dazu, dass Sexarbeiter*innen im Verborgenen, in der Illegalität arbeiten müssen, was zu mehr Gewalt führt und es Sexarbeiter*innen kaum möglich macht, Täter*innen anzuzeigen oder auch sich mit anderen zu verbünden und sich gegenseitig zu schützen.

„Heilige“ vs. „Hure“

Die Debatte um Sexarbeit ist vielfach eine moralische. Die selbstbestimmte Sexualität von Frauen (und allen Menschen, die von der Mehrheitsgesellschaft als weiblich kategorisiert werden) ist dem Patriarchat ein Dorn im Auge. Frauen sollen „rein“ sein und Sexualität nur im engen Rahmen einer (monogamen, heterosexuellen) Paarbeziehung leben. Wer davon abweicht gilt als „Hure“ und wird gesellschaftlich geächtet und (im Falle von Sexarbeiter*innen) strukturell diskriminiert. Immer wieder wird deutlich, dass sich viele derjenigen, die Sexarbeit kriminalisieren wollen (von SWERF bis zur CSU), einfach nicht vorstellen können, dass die Sexualität nicht für alle Frauen etwas hochheiliges ist. Aus der gleichen Quelle, aus der auch „Slutshaming“ entspringt, stammt die Annahme, keine Sexarbeiterin könne ernsthaft „freiwillig“ sexuelle Dienstleistungen anbieten. 

Dass wir Sexualität als etwas schambehaftetes verstehen, das nur durch „Liebe“ wirklich Gültigkeit erhält und keinesfalls als Dienstleistung verstanden werden darf, entspringt einer kulturellen Moralvorstellung, die sich im Unterschied zu anderen Moralvorstellungen über die Jahrhunderte kaum verändert hat. Während es zum Beispiel heute nicht mehr grundsätzlich amoralisch ist, wechselnde Sexpartner*innen zu haben, ist „Sex gegen Geld“ noch ein komplettes Tabu.

Freiwilligkeit im Kapitalismus

Körperliche Selbstbestimmung bedeutet auch, dass sich eine Person entscheiden kann, ihren Körper als Arbeitsmittel lieber in der Sexarbeit einzusetzen, als im Straßenbau, der Ernte oder am Fließband in der Schlachterei.

Im Kapitalismus ist eine „Freiwilligkeit“ von Lohnarbeit grundsätzlich in Frage zu stellen. Menschen, die bspw. in der Pflege einen „Leibdienst außerhalb der Familie“ (Schrader 2019) durchführen, sind auch nicht zu 100% begeistert davon, Exkremente anderer Menschen zu entfernen. Vermutlich macht eine große Zahl diesen Beruf auch deshalb, weil sie dafür Geld bekommt. Hier wird aber keine Debatte zur Freiwilligkeit geführt. Das hat damit zu tun, dass sich viele Menschen vielleicht eher vorstellen können, jemand Fremdes zu waschen, mit einer fremden Person Sex zu haben. Man sollte aber unbedingt vermeiden, von sich auf andere zu schließen. Welche Gesten und Tätigkeiten wir als intim / belastend/ befreiend / beängstigend / schön / schrecklich (…) bewerten, ist absolut subjektiv.

Warum schreiben manche Sexarbeit mit so komischen Zeichen?

In den sozialen Medien, wie bspw. auf Twitter, Facebook und Instagram wird häufig das Kürzel SW für Sexwork (=Sexarbeit) verwendet. Manche schreiben das Wort aber auch mit anderen Buchstaben bzw. Zeichen, wie bspw. s3xw0rk oder sėxwørk oder s£xwork, Se+arbeit oder S€xarbėit. Das passiert in der Regel, um sich vor dem Algorithmus zu verstecken, der in Social Media bestimmte Inhalte sperrt oder verbirgt. Menschen nutzen diese besondere Schreibweise also, damit der Algorithmus es nicht merkt und ihre Reichweite dadurch nicht eingeschränkt wird.